Dienstreise

Eine Dienstreise zu einem Lieferanten in der Provinzhauptstadt von Hebei, Shihuazhuang stand auf dem Programm. Mit von der Partie waren ein koreanischer Kollege, ein chinesischer Kollege, mein Dolmetscher und ich Langnase. Nach einer ermüdenden Fahrt Richtung Süden erreichten wir Shihuazhuang. Mitten auf der mehrspurigen Hauptstrasse sass ein Polizist auf einem Holzstuhl und winkte uns mit ernstem Blick, der keinen Widerspruch erlaubte, nach links in eine Gasse. Wir folgten seinen Anweisungen und trafen nach einem halben Li (ca. 300m) den zweiten Polizisten, der uns fröhlich winkend anhielt. Herr Park kurbelte das Fenster herunter und wir erfuhren, daß wir für die Durchfahrt einen kleinen Obulus von 10 Yuan zu zahlen hatten. Dafür erlaubte uns der ehrenwerte Herr Polizist nicht nur die Weiterfahrt, sondern überreichte uns einen nett gemachten, handgeschriebenen Zettel mit wichtig aussehenden Stempeln drauf. Wir führten unseren Weg fort und schlängelten uns durch das Gassengewirr. Herr Ling, mein Dolmetscher bemerkte ganz nebenbei :"Hm, das wahr wohl ein falscher Polizist." Ich antwortete ihm etwas verwirrt :"Wieso falsch? Wie kommen sie denn auf diese Idee?" "Oh, ganz einfach. Die Uniform war schlecht nachgemacht und sein Verhalten war nicht das eines richtigen Polizisten." Ich kam ins Grübeln. Falsche Uhren kenne ich. Auch nachgemachte Autos habe ich in China erlebt (Audi 100), aber jetzt auch noch die Polizei? Ich hatte noch kein Ergebnis meiner inneren Erörterung, als das nächste Ereignis meinen Glauben an den chinesischen Rechtsstaat total ins Wanken brachte. Vor einem großen eisernen Tor wartete die nächste Delegation aus einem Polizisten und 6 chinesischen Bürgern. Die Weiterfahrt wurde uns verwehrt und meine zwei chinesischen Kollegen stiegen aus dem Auto aus um die Sache zu klären. Während der sichtlich angespannten Diskussion mit unseren Gastgebern eilte einer unserer neuen Freunde zum Tor und verschloß es mit einer schweren Kette und Vorhängeschloß. Mir war nicht klar, ob die Situation zu einer Zeremonie gehört (z.B. ausgiebig Tee trinken, während man beim entsprechenden Beamten seinen Führerschein beantragt), oder, ob es ganz einfach ein Mißverständnis gab. Auf jeden Fall verschlossen Herr Park und ich schon mal die Autotüren von innen und liessen den Motor startbereit laufen. Nach einer hitzigen Diskussion, bei der Herr Ling öfter die Arme beschwörend hob und dadurch anscheinend jedesmal die kurz bevorstende Handgreiflichkeit unterband, gab es einen kurzen Austausch von Papieren (ich glaube nicht daran dass es Visitenkarten waren) und meine Kollegen stiegen eilig ins Auto ein. Das Tor wurde von der Kette befreit und wir rasten mit quietschenden Reifen davon. Dass ich noch ein Erinnerungsfoto vom Torwächter machte, machte Herrn Park fast fassungslos. Herr Ling kommentierte den Vorfall mit einem nervösen "tse tse tse, hmm...", Herr Li, der die Befreiungsaktion souverän geleitet hatte, war die Ruhe selbst. Seitdem betrachtete ich jeden Uniformierten mit äussersterSkepsis und versuchte Anzeichen von Nichtoriginalität zu entdecken. Bis heute ohne Erfolg.

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